Der Prozess der Hilfsmittelbeantragung – von der Diagnose bis zur Auslieferung

Wir benötigen ein Hilfsmittel! Und jetzt?

Wir nehmen euch mit und erläutern euch einen möglichen Ablauf einer Hilfsmittelbeantragung – vom Zeitpunkt der Diagnose bis hin zur Auslieferung eures Hilfsmittels.

Die folgende Darstellung soll euch eine Orientierungshilfe bieten und auf dem Weg zum passenden Hilfsmittel unterstützen.

 

1. Diagnose

Der Prozess beginnt häufig damit, dass enge Bezugspersonen eines Kindes, wie Eltern, Angehörige oder pädagogische Fachkräfte Einschränkungen oder gesundheitliche Auffälligkeiten bemerken. In der Regel folgt ein Besuch beim Kinder-/Facharzt oder Spezialisten, der die notwendigen medizinischen Untersuchungen durchführt, um eine Diagnose zu stellen.

Auf Basis der Diagnose entwickelt der Arzt einen individuellen Therapieplan, der auf den spezifischen Bedürfnissen des Kindes basiert. Dieser Plan kann verschiedene Aspekte der medizinischen Versorgung abdecken, wie Therapieformen, Medikamente, Hilfsmittel oder andere therapeutische Maßnahmen.

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2. Expertennetzwerk

Um alle im Therapieplan enthaltenen Maßnahmen umsetzen zu können, bedarf es eines Expertennetzwerks, u.a. bestehend aus Fachärzten und Therapieeinrichtungen.

In einigen Fällen kann der Arzt auch eine Überweisung an ein sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) empfehlen. Diese Zentren bieten spezialisierte Dienstleistungen für Kinder mit komplexen gesundheitlichen Bedürfnissen und können bei der weiteren Abklärung und Therapieplanung sowie der individuellen Hilfsmittelversorgung helfen.

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3. Versorger

Wenn ein oder mehrere Hilfsmittel erforderlich sind, wird ein auf Kinderversorgungen spezialisiertes Sanitätshaus oder ein Orthopädietechniker benötigt. Sie stehen euch mit Rat und Tat zur Seite, wenn es um die Vorstellung, Erprobung und Auswahl eines passenden Hilfsmittels geht.

Nachdem ihr gemeinsam eine Auswahl getroffen habt, erfolgt vor der endgültigen Entscheidung für ein Hilfsmittel oftmals eine Erprobung verschiedener Optionen, um sicherzustellen, dass sie den Bedürfnissen eures Kindes gerecht werden und richtig funktionieren. Hier macht es Sinn auch das Expertennetzwerk, wie TherapeutInnen & Co mit an Bord zu holen.

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4. Hilfsmittelverordnung

Wenn die Auswahl der Hilfsmittel abgeschlossen ist, stellt der behandelnde Arzt ein Rezept für die benötigten Hilfsmittel aus. Er orientiert sich dabei an der Versorgungsempfehlung des Sanitätshauses.

Das Rezept ist ein wichtiger Teil des Antragsprozesses. Auf dem Rezept sollte das benötigte Hilfsmittel so präzise wie möglich beschrieben sein, ebenso die Diagnose, die ein solches Hilfsmittel zwingend notwendig macht.

Des Weiteren ist zu beachten, dass die Hilfsmittelnummer nicht zwingend für die Bewilligung maßgeblich ist. Das Hilfsmittelverzeichnis fungiert lediglich als Empfehlung.

 

5. Antrag auf Kostenübernahme

Die Krankenkasse prüft den Antrag nun sorgfältig, um sicherzustellen, dass die beantragten Leistungen medizinisch notwendig und angemessen sind. Dieser Prozess kann einige Zeit in Anspruch nehmen, da die Krankenkasse die Kosteneffizienz und die medizinische Notwendigkeit bewertet. Hier gibt es unterschiedliche Fristen für die Entscheidungsfindung (3 Wochen, 5 Wochen oder bis zu 2 Monate). Sofern die festgelegten Fristen nicht eingehalten werden und ihr keine schriftliche Benachrichtigung erhaltet, wird euer Antrag automatisch als genehmigt betrachtet.
 

6.a. Kostenübernahmebestätigung

Bei Bewilligung übernimmt die Krankenkasse die Kosten gemäß den Bestimmungen. Das Sanitätshaus leitet nun alles in die Wege und informiert euch, wenn das Hilfsmittel zur Auslieferung bereit ist.

 

6b: Ablehnung der Krankenkasse

Im Falle einer Ablehnung habt ihr die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen oder alternative Finanzierungsoptionen zu prüfen, um sicherzustellen, dass euer Kind die benötigte medizinische Versorgung erhält.

 

Widerspruch

Krankenkassen lehnen häufig die Bereitstellung eines Hilfsmittels ab, indem sie darauf hinweisen, dass dieses Hilfsmittel nicht im offiziellen Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt ist. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass der Anspruch nicht auf die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Hilfsmittel beschränkt ist. Im Widerspruchsverfahren sollte ausführlich erläutert werden, warum gerade dieses spezielle Hilfsmittel in dem individuellen Fall dringend erforderlich ist.

Eine ablehnende Entscheidung kann angefochten werden, indem ein Widerspruch eingereicht wird. Dabei ist zu beachten, dass die Widerspruchsfrist eingehalten werden muss. Sofern der Bescheid eine korrekte Rechtsbehelfsbelehrung enthält, muss der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheides bei der Krankenkasse eingereicht werden.

Legt den Widerspruch schriftlich ein und reicht eine Begründung nach. Beginnt mit einer kurzen Mitteilung an die Krankenkasse, in der ihr eure Uneinigkeit mit der Entscheidung bekundet und euren Widerspruch ankündigt. Nutzt ein Einschreiben mit Rückschein oder Fax mit Empfangsbestätigung, um den rechtzeitigen Zugang bei der Kasse zu dokumentieren.

Anschließend ist es entscheidend, eine ausführliche Begründung für eure Ablehnung der Hilfsmittelversorgung darzulegen. Es kann oft hilfreich sein, den verordnenden Arzt, Therapeuten aber auch das Sanitätshaus um eine Stellungnahme zu bitten, um die Notwendigkeit des Hilfsmittels eingehend zu erläutern.

Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens erfolgt eine Überprüfung der Entscheidung durch die Krankenkasse. Infolgedessen kann die Krankenkasse zu dem Schluss kommen, dass der Anspruch auf das Hilfsmittel tatsächlich besteht und es bewilligt wird. Dies wird als "Abhilfe" bezeichnet. Alternativ kann die Krankenkasse bei ihrer ursprünglichen Ablehnung bleiben.

Am Ende des Widerspruchsverfahrens erfolgt eine Beratung durch den Widerspruchsausschuss der Krankenkasse, der einen Widerspruchsbescheid erlässt. Wenn die Ablehnung auch im Widerspruchsbescheid aufrechterhalten wird, besteht die Möglichkeit, vor dem Sozialgericht Klage zu erheben. In diesem Fall ist es ratsam, einen Fachanwalt für Sozialrecht hinzuzuziehen.

 

7. Auslieferung

Es ist so weit. Das Sanitätshaus liefert euch das beantragte Hilfsmittel und erläutert dessen Benutzung. Es erfolgt zudem die individuelle Anpassung des Hilfsmittels an die Körpermaße und Fähigkeiten eures Kindes. Bei einem Rollstuhl werden etwa die Kopf- und Fußstützen, Seitenpelotten, Sitztiefe und der Therapietisch eingestellt.

Außerdem erhaltet ihr neben einer Bedienungsanleitung auch Pflege- und Wartungshinweise, so dass euer Kind möglichst lang vom Hilfsmittel profitiert.

 

Hinweise
Der genaue Ablauf kann je nach Land, Gesundheitssystem und individuellen Umständen variieren. Manchmal werden z.B. nicht alle dargestellten Schritte bei einer Hilfsmittelbeantragung durchlaufen, etwa bei einer Folgeverordnung, wenn die Diagnose bereits gesichert ist. Auch unterscheidet sich der Prozess der gesetzlichen Krankenversicherung von der Privaten.
Es ist ratsam, dass ihr euch frühzeitig mit der Krankenkasse und den behandelnden Ärzten in Verbindung setzt, um Unterstützung und Informationen zu erhalten und sicherzustellen, dass euer Kind die bestmögliche Versorgung erhält.
Die zusammengestellten Informationen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellen keine Rechtsberatung dar.
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