„Nicht das Kind sollte sich der Umgebung anpassen, sondern wir sollten die Umgebung dem Kind anpassen.“ (Maria Montessori)

Ein einfacher Satz mit großer Wirkung. Und wir als pflegende Angehörige sind dabei auf Mithilfe angewiesen, vor allem wenn es um die Genehmigung von wichtigen Hilfsmitteln geht.

Hallo,

ich bin Rebecca und die Mama von Til und unserer Pflegetochter. Til wurde im Mai 2011 mit Spina Bifida und Hydrocephalus geboren. Die ersten zwei Jahre haben wir fast komplett im Krankenhaus verbracht. Über 20 OPs & Vollnarkosen musste unser Sohn über sich ergehen lassen. Wir waren voller Angst und Sorgen, die im Januar 2012 ihren Höhepunkt erreichten. Til musste unter Narkose reanimiert werden und ist seitdem auch geistig behindert und hat zusätzlich eine Epilepsie entwickelt. Er hat kaum Kopfkontrolle, kann nicht alleine sitzen, sich nicht drehen und schon gar nicht laufen. Til ist nonverbal, versteht aber mehr als andere erst einmal denken. Er ist der glücklichste und stärkste Junge den ich kenne und er zeigt uns jeden Tag aufs Neue, dass man sich über das eigentlich Selbstverständliche freuen muss und kann und vieles viel mehr schätzen sollte. Til kann lachen bis ihm die Tränen kommen, er liebt Schokolade & Grießbrei und wenn jemand mit ihm spricht und sich mit ihm beschäftigt. Er ist in den allermeisten fällen gut gelaunt, geduldig und genügsam. „Seine“ Leute erkennt er sofort und weiß auch genau, wie er wen um den Finger wickeln kann.

Worauf ich hinaus will:

Das mit dem „um den Finger wickeln“ klappt nur leider nicht immer. Würde es aber vielleicht, wenn sich manche Menschen die Zeit nehmen könnten, die Person hinter der Akte kennenzulernen. Ich spreche von unserer letzten Erfahrung mit der Krankenkasse. Ich muss dazu sagen, bis vor drei Jahren haben wir so ziemlich alles genehmigt bekommen, was wir für Til benötigt haben. Das war im Verhältnis aber nicht viel, da Til nur wenig gewachsen ist und wir nur äußerst selten ein neues Hilfsmittel benötigt haben. Inzwischen ist er doch ganz schön in die Länge geschossen und so haben wir vor einem Jahr einen neuen Therapiestuhl beantragt. Laut Angebot unseres Sanitätshauses handelte es sich sogar um einen gebrauchten Stuhl als Widereinsatz. Viele Telefonate, 2 mehrseitige Widersprüche, das Einbeziehen des Medizinischen Dienstes und eine Menge gelassener Nerven später, ist der Antrag dann beim Widerspruchsausschuss der Krankenkasse gelandet. Und was soll ich sagen? Auch dort wurde der benötigte Therapiestuhl nicht genehmigt. Wenn es wirklich handfeste Argumente gegen diesen Stuhl geben würde, wäre es für mich in gewissem Maße ok. Aber in dem fünfseitigen Ablehnungsbescheid stehen Argumente, die eine Frechheit sind. Es heißt „Therapiestühle sind geeignet für Kinder, die nicht frei sitzen oder stehen können…“ und „Therapiestühle geben den Kindern einen größeren Freiraum, fördern die motorische und geistige Entwicklung und sind Bestandteil des therapeutischen Bemühens zur Kräftigung der Rumpfmuskulatur und Entwicklung einer geordneten Motorik.“
Wenn ich den Spieß jetzt mal umdrehe, dann verweigert die Krankenkasse unserem Kind sich motorisch und geistig weiterzuentwickeln. Außerdem darf Til den größeren Freiraum nicht erleben und eine Kräftigung der Rumpfmuskulatur und die motorische Entwicklung wird ihm ebenfalls verwehrt. Desweiteren schreiben sie u.a. als Indikation zur Kostenübernahme, dass eine Beeinträchtigung des Sitzens bei funktionellen und/oder strukturellen Schädigungen des Rumpfes bzw. der Rumpf- und gegebenenfalls Halsmuskulatur (z.B. durch neurologische/neuromuskoläre Erkrankungen, Deformierungen der Wirbelsäule) mit Fehlhaltungen vorliegen muss. Ist eine Spina bifida, also ein ‚offener Rücken‘ nicht Schädigung genug? Eine weitere Indikation ist, „wenn ein längeres Sitzen auf einem üblichen Sitzmöbel nicht möglich ist“. Til kann nicht alleine sitzen. Er fällt einfach um, ohne sich abzufangen oder sonst etwas. Ein Sitzen auf einem „üblichen Sitzmöbel“ ist zu keiner Sekunde möglich. Es stehen noch weitere Dinge darin, die allesamt für einen Therapiestuhl sprechen. Aber nun gut, es ist wie es ist. Der Stuhl wurde abgelehnt und wir gehen einen Schritt weiter. Wir haben uns an den VDK gewandt und dieser reicht nun Klage beim Sozialgericht ein. Wir sind gespannt, wie es ausgehen wird.

Weitere Schritte, die man gehen kann, wenn ein Hilfsmittel ablehnt wurde wird:

  • Widerspruch schreiben
  • Berichte von Ärzten/Therapeuten einreichen, am besten direkt am Anfang mit dem Rezept
  • Ein neues Rezept einreichen
  • Krankenkasse wechseln
  • Beschwerdestelle der Krankenkasse kontaktieren
  • Die Angelegenheit öffentlich machen
  • Bundesamt für soziale Sicherung kontaktieren
  • Sich an spezielle Kanzleien wenden (z.B. Kanzlei Special Needs)

Das alles sind Vorschläge und Ideen die ich gesammelt habe. Selbstverständlich muss jeder selbst entscheiden, welchen Weg er geht. Ich bin eigentlich kein Mensch, der gerne in den „Kampfmodus“ wechselt aber für Til und sein Recht würde ich alles machen. Insgesamt bin ich der Meinung, dass es hilfreich wäre, wenn die Menschen, die darüber entscheiden, ob ein Kind ein Hilfsmittel bekommt oder nicht, das Kind persönlich kennenlernen. Dann würden sich manche Fragen innerhalb kürzester Zeit in Luft auflösen.

Liebe „Entscheider“ und „Ablehner“ – ihr seid jederzeit bei uns herzlich willkommen. Es lohnt sich, Menschen wie Til kennenzulernen. Und wenn ihr lieben Lesenden hier, noch mehr von uns sehen und lesen möchtet, dann würden wir uns riesig darüber freuen, wenn ihr uns bei Instagram @mittendrin.statt.nur.dabei folgt.

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